Großes Jubiläum der Männermedizin

10.11.2023

Seit zwei Jahrzehnten hat der Deggendorfer Urologie-Tag als eine führende wissenschaftliche Fortbildung in Niederbayern etabliert. Organisator Chefarzt Dr. Leonhard Stark gewinnt dafür jedes Jahr Experten, die ihr Wissen an 80 Ärzte aus der Region weitergeben und somit die Behandlung der Menschen verbessern.

Auch Landrat Bernd Sibler zollte der Tagung seinen Respekt. Er sprach aber auch die aktuellen Probleme im Gesundheitswesen an. Die kurzfristigen und nicht vorhersehbaren gesetzlichen Änderungen erschweren nicht nur den Krankenhäusern eine zuverlässige Planung. Bezüglich der Zukunft des DONAUISAR Klinikums Deggendorf zeigte er sich jedoch sehr zuversichtlich und lobte die hohe Akzeptanz und Expertise der einzelnen Abteilungen. 

Zum Auftakt des wissenschaftlichen Programms sprach Chefarzt Dr. Leonhard Stark über Neuigkeiten der Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms. Seit etwa zwei Jahren wird an der Klinik für Urologie in Deggendorf nahezu ausschließlich die sogenannte MRT-Fusionsbiopsie durchgeführt. Dabei werden die Bilder des Kernspin der Prostata in ein spezielles Sonographiegerät eingelesen, die Probeentnahme erfolgt dann in Kurznarkose und sonographischer Kontrolle. Dadurch gelingt es, entzündliche Reaktionen nach der Gewebsentnahme zu verhindern, und gleichzeitig besteht aufgrund der Fusion mit den Bildern des Kernspins eine extrem hohe Trefferwahrscheinlichkeit. Die Operation des Prostatatumors durch radikale Entfernung der Prostata wird laut Stark seit einem Jahr nahezu ausschließlich mit dem Da Vinci-OP-Roboter durchgeführt. Die Vorteile des Systems sind eine geringere Blutung und eine schnellere Rekonvaleszenz der Patienten. 

In der medikamentösen Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms gibt es 2023 zwei wesentliche Neuzulassungen, zunächst die sogenannte Tripple-Therapie. Hierbei wird bei dem metastasierten Prostatatumor in der Erstbehandlung durch eine Dreierkombination durchgeführt. Unter dieser Therapie zeigt sich eine deutliche Verlängerung der Überlebensrate. Für Patienten mit austherapiertem Prostatatumor hat eine neue Therapie die Zulassung erhalten. Hierbei wird eine hochradioaktive Substanz, das Lutetium, gezielt an die Prostatatumorzelle gebracht. Unter dieser Therapie zeigen sich teilweise verblüffende Rückbildungen von Metastasen, insgesamt führt diese, extrem teure Therapie jedoch auch nur zu einer Verlängerung des mittleren Überlebens von vier Monaten. 

Dr. Maximilian Haas von der urologischen Universitätsklinik Regensburg sprach zu der Immuntherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom. Durch die derzeitige Immuntherapie ist es möglich, die Nierentumorzelle für das Immunsystem „sichtbar“ zu machen. Hierdurch gelingt dem Immunsystem eine gezielte Zerstörung der Tumorzellen. Bei einigen Patienten ist durch diese Therapie auch bei weit fortgeschrittenen Tumorstadien sogar eine Heilung möglich. Ein neuer Therapieansatz in der Behandlung metastasierter Tumore, insbesondere des Prostatatumors sowie des Harnblasentumors, sind die sogenannten Antikörperwirkstoffkonjugate. Hierbei werden sogenannte Antikörper, also Moleküle die sich direkt an die Tumorzellen binden, mit einem Wirkstoff, z.B. einer Chemotherapie verbunden. Diese Antikörper binden sich gezielt an die Tumorzelle und bringen so das Medikament direkt an die Tumorzelle. Diese Antikörperwirkstoffkonjugate sind damit eine neue Gruppe hocheffektiver Tumormedikamente. 

Über das Männerhormon Testosteron referierte Dr. Melanie Kandulsky als Leiterin der Endokrinologie der Universitätsklinik Regensburg. Das Testosteron ist sowohl für den Stoffwechsel als auch Muskel, Knochen und Psyche des Mannes von großer Bedeutung. Ein Testosteronersatz macht jedoch nur bei Nachweis eines erniedrigten Testosteronwertes Sinn. Aufgrund fehlender Daten sprach sich Kadulsky gegen eine Testosteronsubstitution als Livestyle-Medikament aus.

Die Möglichkeiten und Grenzen der operativen Entfernung von Lungenmetastasten schilderte Oberarzt Dr. Windisch von der Klinik für Viszeral- und Thoraxchirugie in Deggendorf. Zahlreiche Tumore metastasieren bevorzugt in die Lungen. Eine möglichst radikale Entfernung der Lungenmetastasen führt hier häufig zu einem deutlich verlängertem Überleben. Durch die derzeit verfügbaren operativen Methoden ist es dabei möglich, auch bei Vorliegen zahlreichen Lungenmetastasen sämtliche Lungenmetastasen zu entfernen. 

Anschließend sprach der neue Chefarzt der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirugie, Privatdozent Dr. med. Dr. med. dent. Tolga Taha Sömnez über Möglichkeiten der plastischen Rekonstruktion im urologischen Bereich. Die Verwunderung über dieses Thema löste sich bald, als Sömnez seine Fähigkeiten in der plastischen Rekonstruktion großer Hautdefekte schilderte. Hierzu werden z.B. aus dem Unterschenkel Transplantate entnommen um große Defekt im Mund- Kiefer Bereich z.B. nach Tumoroperationen, zu decken. Die gleiche Technik kann auch angewandt werden, um große Hautdefekte im urologischen Bereich zu decken.

Abschließend schilderte der neue Chefarzt des Zentrums für bildgebende Diagnostik und interventionelle Therapie am DONAUISAR Klinikum Deggendorf Dr. Florian Schwarz, die Möglichkeiten der Vereisung kleiner Nierentumore. Durch die moderne Diagnostik werden immer mehr kleinere Nierentumore entdeckt, die operative Entfernung ist teilweise ein belastender Eingriff. Durch die Vereisung dieser kleinen Tumore gelingt, insbesondere bei älteren Patienten, eine ausreichende Tumorkontrolle. In die Zukunft gewandt sprach Dr. Schwarz über die Möglichkeiten der Prostataembolisierung. Prinzipiell ist die Hobelung der Prostata, die sogenannte TUR, nach wie vor Goldstandart. Insbesondere bei älteren, kranken Patienten teilweise mit erhöhter Blutungsneigung, eröffnet die Embolisierung der Prostata eine neue Therapie, um den Patienten die Versorgung mit einem Dauerkatheter zu ersparen. Die ersten Embolisierungen in der Prostata sind für Anfang des kommenden Jahres geplant. 

Neues zur Männermedizin berichteten Dr. Dr. Tolga Taha Sömnez (v.l.), Dr. Melanie Kandulsky, Dr. Leonhard Stark, Dr. Thomas Windisch und Dr. Florian Schwarz.