Keine „Voodoo-Medizin“ bei Rückenschmerzen

24.11.2016

Chefarzt warnt vor „Voodoo-Medizin“ bei Rückenschmerzen
1. Niederbayerischer Schmerztag des DONAUISAR Klinikums im Landratsamt Dingolfing

Rund 12 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter anhaltenden chronischen Schmerzen. Viele davon machen eine Odyssee von Arzt zu Arzt - ohne Besserung. Nur rund zehn Prozent dieser Patienten werden einem Spezialisten vorgestellt. Dies liegt unter anderem daran, dass es zu wenige Schmerzmediziner gibt, um den Bedarf für die Schmerzpatienten zu decken. Patienten aus Dingolfing-Landau und angrenzenden Landkreisen haben es gut: Für sie steht am DONAUISAR Klinikum Landau ein interdisziplinäres Team aus Spezialisten zur Verfügung. Das Team der Schmerztherapie hatte zum 1. Niederbayerischen Schmerztag in das Landratsamt Dingolfing eingeladen und informierte rund um das Thema „Rückenschmerzen“, dem Schmerzleiden Nummer eins in Deutschland. Zu dieser Gelegenheit sind Experten unterschiedlicher Fachrichtung wie Schmerztherapeuten, Pain Nurses, Neurochirurgen, Orthopäden, Psychologen und Psychiater sowie Physiotherapeuten zusammengekommen, um die Besucher über sämtliche Facetten der Erkrankung zu informieren. An zahlreichen Informationsständen von Selbsthilfegruppen, sozialen Einrichtungen und Industrieunternehmen wurden interessante Gespräche geführt. Landrat Heinrich Trapp sprach bei seinem Grußwort den Dank an das ganze Team aus, dass sie für Interessierte und Betroffene den Patiententag gestaltet haben. Er freute sich ganz besonders, dass die gute Qualität der Abteilung in Landau auch eine überregionale Anziehungskraft auf Patienten vom Bayerischen Wald bis nach Landshut entwickle.

Chefarzt Dr. Axel Menzebach betonte bei seiner Einführung, dass es ihm und seinem Team am DONAUISAR Klinikum Landau um „realistische Behandlungsziele“ gehe. Auf dem Gebiet der Schmerzmedizin gäbe es sehr viele Anbieter, welche teils mit Wellnessangeboten die Patienten locken würden. Diese würden zwar gut tun, würden aber bei der Ergründung der eigentlichen Ursache der Schmerzen nicht weiterhelfen. Er und sein Team stütze deshalb die Therapie auf wissenschaftliche Erkenntnisse und leitlinienkonforme Therapien. „Viele vermeintliche Therapeuten und Anbieter erzählen den leidgeplagten Rückenpatienten das Blaue vom Himmel“, so der Leiter der Schmerztherapie. Er empfahl dringend vor dieser sogenannten „Voodoo-Medizin“ Abstand zu nehmen und sich Unterstützung von professionell ausgebildeten Schmerztherapeuten zu holen, welche wie am DONAUISAR Klinikum Landau den Menschen ganzheitlich behandeln und die Schmerzursache ergründen. Nur so könne ein Stückweit Lebensqualität zurückgewonnen werden und Hilfe zur Selbsthilfe im Alltag geleistet werden.

Chefarzt Prof. Dr. Stefan Rath, Neurochirurg, Neuroradiologe und Wirbelsäulenspezialist sprach in seinem Vortrag „Was uns trägt“ über die Wirbelsäule als tragende Säule des Körpers und erläuterte dabei die unterschiedlichen Ursachen von Rückenschmerzen. Es könne an den Muskeln, den Bändern, den Knochen und den Knorpeln liegen. Er warnte eindringlich vor übereilten Operationen und betonte die große Bedeutung konservativer Maßnahmen bei der Behandlung von Rückenschmerzen. Eine Operation sei bei akuten Schmerzen nur dann sofort erforderlich, wenn auch gleichzeitig Nervenausfälle mit  Lähmungserscheinungen bestünden. „Auch wenn die Schmerzen aber mehrere Wochen anhalten, sollte man nach den Ursachen forschen,“ so der Chefarzt.

Im Zentrum des Vortrags von Oberarzt und Schmerztherapeut Michael Dahm stand der Einfluss von Stress auf Schmerzen. Er erläuterte, dass Stress Schmerzen verursachen bzw. diese verstärken könne. Menschen, welche unter Schmerzen leiden, aber Stress nicht bewusst erleben, empfahl er dringend, sich selbst zu hinterfragen, ob nicht doch eine Überforderung im beruflichen oder privaten Bereich vorliegen könne. Mittels Sport, Entspannungsübungen oder Tätigkeiten, welche einem Spaß machen, aber aus Zeitgründen vielmals aufgeschoben würden, könnten Patienten wieder ihre innere Balance finden. Dies könne Schmerzen reduzieren bzw. die Entstehung bereits im Vorfeld verhindern.

Psychologe Christoph Walz ging anschließend der Frage nach, welche Möglichkeiten es gäbe, den Umgang mit Schmerzen zu erlernen. Schmerzen werden von der betreffenden Person zunächst einmal subjektiv als eine stark unangenehme Körperempfindung erlebt. Jedoch würden immer körperliche, emotionale und geistige Prozesse bei Schmerzgefühlen zusammenspielen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die eigene, dahinterliegende Haltung und der Umgang mit negativen Gefühlen. Dies zeige sich etwa in Generalisierungen und katastrophisierenden Gedanken („Oh Gott, das geht nie wieder weg!“), welche oftmals in ausgeprägtem Schonverhalten oder einem extrem entgegengesetzten Durchhaltewillen münden würden. Hier gilt es die Balance zwischen Aktivität und Entspannung zu finden.  
Im Anschluss daran stellte Oberärztin und Schmerztherapeutin Dr. Rosemarie Seider ausführlich das ganzheitliche Konzept der multimodalen Schmerztherapie am DONAUISAR Klinikum Landau vor. Einer der Erfolgsfaktoren der Therapie in Landau sei die multidisziplinäre Betreuung der Patienten, d.h. mehrere Therapeuten verschiedener Fachrichtungen arbeiten nicht nur im gleichen Zeitraum am selben Patienten, sondern eng untereinander vernetzt, gemeinsam mit dem Patienten. Der Ansatz bestehe aus drei Säulen: der somatischen Therapie, der psychologischen Therapie und der physikalischen Therapie. Wichtig sei hier, realistische Therapieziele festzulegen. Somit sei eine Schmerzreduktion zwischen 30 und 50 Prozent realisierbar. Damit einher gehe die Verbesserung der Stimmung, der Lebensqualität und die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit.

In der abschließenden Podiumsdiskussion beantworteten die Experten die Fragen der Besucher aus verschiedenen Blickwinkeln der Medizin.



Foto (v.l.): Landrat Heinrich Trapp, Chefarzt Prof. Dr. Stefan Rath, Chefarzt Dr. Axel Menzebach, Psy-chologe Christoph Walz, Pain Nurse Karin Friz, Oberärztin Dr. Rosemarie Seider, Chefarzt Dr. Kamran Dabidian, Oberarzt Michael Dahm, Oberarzt Dr. Halim Dragusha, Leiter der Physiotherapie Josef Plenk