Wichtige Erkenntnisse vom 22. Deggendorfer Urologie-Tag
20.11.2025
Beim 22. Deggendorfer Urologie-Tag standen aktuelle Fortschritte in der Tumortherapie, neue Verfahren in der Kinderurologie sowie moderne Ansätze der Hormonersatztherapie im Mittelpunkt. Experten aus Klinik und Wissenschaft präsentierten neueste Erkenntnisse zu innovativen Behandlungsformen, diskutierten Chancen und Risiken sowie praktische Aspekte der Patientenversorgung. Alles wichtige Informationen für Urologen, von denen rund 80 vor Ort an der THD waren.Zum Auftakt schilderte Chefarzt Dr. Leonhard Stark die aktuelle Therapie des metastasierten Prostatatumors. Zu Beginn der Therapie ist der Prostatatumor in der Regel immer hormonempfindlich, die Therapie beinhaltet deshalb stets einen Hormonentzug. Seit Längerem ist jedoch bekannt, dass die Kombination mit einer oder zwei weiteren Substanzen eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeiten bringt. Die Chemotherapie wird dabei sechsmal in dreiwöchentlichem Abstand gegeben. Prinzipiell wird der Hormonentzug, also der Entzug des Testosterons, medikamentös durchgeführt. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit des Hormonentzuges mit Tabletten. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten GnRH-Antagonisten. Vorteil ist die schnelle Erreichung des sogenannten Kastrationsbereichs und nach Absetzen der Tabletten eine deutlich schnellere Erholung des Testosteronwertes.
Wenn der Prostatatumor sich gegen den Hormonentzug durchsetzt, erfolgt eine Bestimmung möglicher BRCA-Mutationen. BRCA ist ein sogenanntes Reparaturgen für Schäden der Chromosomen. Ein weiteres Reparaturgen ist PARP. Liegt eine BRCA-Mutation vor, funktioniert BRCA also nicht, kann durch die Hemmung von PARP ein Absterben der Tumorzelle erreicht werden. Zu den innovativsten Therapien zählt die Behandlung mit PSMA-Lutetium. Hierbei wird eine hochradioaktive Substanz, das Lutetium, an einen Antikörper gebunden, der speziell an der Prostatatumorzelle anhaftet. Während vereinzelt hervorragende Behandlungsergebnisse geschildert werden, zeigt sich im statistischen Vergleich kein Unterschied zur Chemotherapie.
Während Immuntherapie bei der Behandlung des Prostatakrebses noch keine Rolle spielt, zeigt sie in der Behandlung des Nierentumors erhebliche Erfolge. Dr. Maximilian Haas von der Urologischen Universitätsklinik Regensburg schilderte anhand eines Fallbeispiels die Heilung einer Patientin mit metastasierendem Nierentumor durch die Kombination zweier Immuntherapien. Durch die Immuntherapie werden die Tumorzellen vor dem Immunsystem des Patienten entlarvt; das Immunsystem kann sich somit auf die Zellen stürzen und diese vernichten. Auch in der Therapie des Harnblasentumors tut sich Neues. Als Beispiel nannte Haas die direkte Anwendung von Zytostatika über einen längeren Zeitraum in der Harnblase. Das Zytostatikum ist in einem dünnen Schlauch gespeichert, der in die Harnblase eingebracht wird und dort die Form einer Brezel annimmt. Über drei Wochen erfolgt die ständige Freisetzung des Zytostatikums. Durch dieses Verfahren lässt sich bei manchen Patienten die Entfernung der Harnblase verhindern. Allerdings ist diese Therapie in Deutschland noch nicht zugelassen. In der Behandlung des metastasierten Harnblasentumors zeigt die Kombination einer Immuntherapie mit einer antikörpergebundenen Chemotherapie erstaunliche Erfolge. Das Zytostatikum wirkt hier nicht im ganzen Körper, sondern ist an einen Antikörper gebunden, der direkt an die Tumorzelle anheftet. Dadurch wird eine extrem hohe Dosis des Zytostatikums in der Tumorzelle erreicht, ohne den Körper des Patienten zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen.
So beeindruckend die Erfolge der neuen Tumortherapie sind, haben sie teilweise doch erhebliche Nebenwirkungen. Ihre Behandlung ist extrem wichtig, da sie manche Patienten dazu bringen können, die wirksame Tumortherapie zu beenden. Thomas Hempel, Leiter der onkologischen Pflege an der Klinik für Urologie der Universität Regensburg, schilderte die zahlreichen Möglichkeiten, die Nebenwirkungen zu lindern. Zur Appetitsteigerung empfahl er vor dem Essen sportliche Aktivität und appetitanregendes Würzen mit Ingwer, Schnittlauch oder Zimt. Um einer Mangelernährung vorzubeugen, empfahl er Sahne statt Milch in den Speisen, fettreichen Joghurt, Avocados sowie hochkalorische Trinknahrung. Zur Behandlung der Mukositis, also der Entzündung der Mundschleimhäute, bieten sich Mundspülungen mit Salbeitee oder das Lutschen gefrorener Ananasstücke an. Ein großes Problem ist häufig der Juckreiz; hier schilderte er die günstige Wirkung von Cistrosenbad, Melisseteebaumöl sowie Rosenkörperöl.
Zur Frage der Thromboseprophylaxe bei den überwiegend ambulant und über einen längeren Zeitraum behandelten Tumorpatienten berichtete Privatdozent Dr. Jan Pilch, Direktor der Hämostaseologie der Universität Augsburg. Zu berücksichtigen ist die unterschiedliche Thromboseneigung der verschiedenen Tumoren. Zusätzlich spielen die Mobilität der Patienten sowie die Ausprägung der Metastasierung eine wesentliche Rolle. Das Erkennen und die Behandlung urologischer Fehlbildungen im Kindesalter war das Thema von Dr. Claudia Neissner von der Kinder-Uni-Klinik Ostbayern in Regensburg. Häufig beunruhigend für die Eltern ist die Phimose; diese bildet sich jedoch in der Regel bis zum 3. Lebensjahr zurück. Nur bei Auftreten von Problemen wie Entzündungen ist eine Beschneidung im Kindesalter erforderlich. Ein weiteres Feld ist die Behandlung der Enuresis, also des ungewollten Einnässens bei Kindern. Wesentlich ist hier zunächst eine ausführliche Anamnese, da Darmentleerung und Blasenentleerung eng zusammenhängen. Oft finden die Kinder keine Zeit, morgens auf Toilette zu gehen, weil sie ständig mit ihren Handys beschäftigt sind. Häufig führt schon eine Normalisierung des Tagesablaufs zu einer Rückbildung des Einnässens.
Zum Thema „Altwerden ohne zu Altern“ sprach der Gynäkologe Dr. Massimo Lombardo. Während vor 100 Jahren die Frauen mit Beginn der Menopause den Großteil ihres Lebens bereits hinter sich hatten, haben die Frauen der heutigen Zeit mit Beginn der Menopause die Hälfte ihres Lebens noch vor sich. Der Eintritt der Menopause hat jedoch mit der allgemeinen Lebenserwartung nichts zu tun und tritt bei den Frauen weltweit mit etwa 45 Jahren ein. Verbunden mit der Menopause sind die bekannten Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, vaginale Trockenheit, Libidoverlust und Gewichtszunahme. Diese Nebenwirkungen können durch die Hormonersatztherapie problemlos verhindert werden. Die Zurückhaltung vieler Frauen gegenüber einer Hormonersatztherapie begründet sich teilweise in einer Studie aus dem Jahr 2001 mit vermeintlich erhöhtem Risiko eines Mammakarzinoms. Bei der heute verwendeten parenteralen Gabe, also der Anwendung eines Gels oder eines Pflasters, besteht dieses Risiko nicht. Die Hormonersatztherapie zeigt ausnahmslos positive Effekte wie das Verhindern einer Osteoporose, psychischer Veränderungen wie Depressionen und Angst, vaginaler Atrophie sowie trockener, faltiger Haut.

Informierten die Urologen zu spannenden Themen: Dr. med. Massimo Lombardo (v. l.), PD Dr. med. Jan Pilch, Dr. med. Maximilian Haas, Dr. Leonhard Stark, Dr. Claudia Neissner und Thomas Keppel.