Selbstbestimmtes Leben bis zum Lebensende

13.02.2023

Chefarzt Dr. Kolbinger: Patientenverfügung ist wichtig

von Gerard Zacher

Deggendorf. Die eigene Behandlung umfassend gestalten – Patientenverfügung, Palliativmedizin und Geriatrie – passt das zusammen? Diese Frage beantwortete Chefarzt Dr. Peter Kolbinger vom Donau-Isar-Klinikum bei seinem Vortrag in der AOK Deggendorf. Der Vortrag wurde gemeinschaftlich organisiert vom Kneippverein, vertreten durch Gerard Zacher und Johanna Nothhaft, vom Klinikum, vertreten durch Jürgen Stern, der AOK vertreten durch Christa Katzdobler, und der Gesundheitsregion Deggendorf. Der AOK-Saal war voll besetzt, die Hälfte der Teilnehmer besitzt bereits eine Patientenverfügung, was der Referent positiv sah. „Aufklärung nutzt offenbar doch“, merkte er an.

Oftmals werden Patientenverfügungen vor allem aus rechtlicher Sicht gestaltet, aber dabei werden sie den medizinischen Fragestellungen der konkreten Behandlungssituation nicht gerecht. Die aktuelle Lebens- und Behandlungsstruktur ist wichtig. Außerdem werden oft die vielfältigen Möglichkeiten der akutgeriatrischen Frührehabilitation und vor allem der Palliativmedizin außen vorgelassen.

Chefarzt Dr. Kolbinger, der die Abteilung für Altersmedizin und die Geriatrische Tagesklinik des Klinikums in Landau leitet, verdeutlichte die Begriffe, stellte die Behandlungskonzepte kurz vor und ging anhand von Einzelfällen auf bestimmte Regelungsprobleme ein. Das Zentrum für Altersmedizin (Geriatrie) ist spezialisiert auf die Versorgung der Patienten im höheren Lebensalter, die aufgrund ihrer typischen Multimorbidität (mehrfache Erkrankung) und der erhöhten Vulnerabilität (Anfälligkeit für Komplikationen) einer komplexen Behandlung bedürfen, stellte er fest.

Der Chefarzt verwies auf eine notwendige Patientenverfügung, die nicht vielversprechende Behandlungswege verbaut. Zudem legte er dar, wie die Entscheidungen im Krankenhaus mit und ohne Patientenverfügung erfolgen. Die zahlreichen Beispiele verdeutlichten die Notwendigkeit einer Patientenverfügung insbesondere auch aus ärztlicher Sicht sowie einer Vorsorgevollmacht. Diese sollten leicht zu finden sein und auch ins Krankenhaus mitgebracht werden.

Es gelte der Grundsatz „Selbstbestimmtes Leben bis zum Lebensende“ . Patienten haben das Recht, in persönlichen Angelegenheiten für den Fall der Geschäfts- oder Einwilligungsunfähigkeit infolge einer Krankheit oder hohen Alters vorzusorgen. Verschiedene Möglichkeiten bieten sich an: Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Für den Fall, dass die Patientin oder der Patient nicht mehr einwilligungsfähig ist, orientieren sich Ärztinnen und Ärzte am mutmaßlichen Patientenwillen. Dieser ist jedoch ohne konkrete Hinweise nur schwer oder gar nicht zu ermitteln. Mit einer Patientenverfügung besteht die Möglichkeit, schriftlich festzulegen, wie man in Zukunft medizinisch behandelt werden möchte, falls man nicht mehr einwilligungs- und entscheidungsfähig ist.

Die Patientenverfügung muss schriftlich vorliegen und von der Patientin oder dem Patienten unterschrieben sein; sie bedarf keiner besonderen Form oder Formular und muss weder von einem Anwalt noch von einem Notar erstellt oder beglaubigt werden. Sie sollte bestenfalls in regelmäßigen Abständen (z.B. alle zwei Jahre) überprüft, gegebenenfalls angepasst und neu unterschrieben werden; sie kommt immer nur dann zum Einsatz, wenn Personen ihren Willen zu medizinischen und pflegerischen Maßnahmen selbst nicht mehr äußern können. Sie gibt nicht nur Auskunft über medizinische und pflegerische Maßnahmen, die nicht gewünscht sind, sondern insbesondere auch solche, die gewünscht werden (z.B. das Einverständnis zu bestimmten Behandlungen). Darüber hinaus sollten allgemeine persönliche Erklärungen, Werte- und Glaubensvorstellungen der Patienten erkennbar sein.

Patientenverfügungen werden in der Regel für zukünftige Situationen verfasst, die der betreffenden Personen zum Zeitpunkt der Erstellung zumeist unbekannt sind, was eine besondere Herausforderung darstellt. Die schwierige Frage lautet also: „Was würde ich (vermutlich) wollen oder nicht wollen, wenn...“ Empfehlenswert sind insbesondere Patientenverfügungen, die auch Notfallsituationen erfassen.

Wichtig ist weiter eine Vorsorgevollmacht. Dazu gibt es Formulare, die im Internet oder bei einschlägigen Institutionen erhältlich sind. Auch in den Gemeinden und im Landratsamt gibt es dazu Hilfen. Im Grunde benötigt jede und jeder eine Vorsorgevollmacht, denn niemand kann mit Sicherheit sagen, dass ihm nichts zustößt. In einer Vorsorgevollmacht wird eine Person oder werden mehrere Personen bevollmächtigt, den Willen einer Person wiederzugeben, wenn diese dazu selbst nicht mehr in der Lage ist. Somit ist eine bevollmächtigte Person das „Sprachrohr der Patientin/des Patienten“ und hat im Sinne der Person, die sich selbst nicht äußern kann, dem Wille Ausdruck zu verleihen. Eine Bevollmächtigung besteht nicht automatisch durch Verwandtschaft, sondern muss von der betreffenden Person erteilt werden.