Warum es nur zwei Geschlechter gibt, aber kein drittes…

14.11.2022

19. Urologie-Tag beschäftigt sich nicht nur mit neuen Behandlungsmethoden

Der Deggendorfer Urologie-Tag ist eine feste Einrichtung im ärztlichen Fortbildungskalender. Dabei greift Organisator Chefarzt Dr. Leonhard Stark neben medizinischen Themen gerne auch gesellschaftliche Themen auf. Heuer ging es z. B. um die Medizinerausbildung in Niederbayern und die Diskussion zum Umgang mit den verschiedenen Geschlechtern.

Zum Auftakt des 19 Deggendorfer Urologie-Tages begrüßte Chefarzt Stark herzlich Landrat Bernd Sibler. Dieser gab einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand des Medizincampus Niederbayern. Vor dem Hintergrund des erheblichen Ärztemangels in Niederbayern soll der Medizincampus Studenten die Möglichkeit bieten, in Niederbayern Medizin zu studieren. Erfahrungsgemäß verbleibt ein großer Teil der Studenten in der Region, in der sie Medizin studiert haben. Der an die Universität Regensburg angegliederte Medizincampus schließt dabei die Kliniken Passau, Deggendorf, Landshut und Straubing ein. Das ehrgeizige Projekt sieht vor, dass bereits ab 2027 erste Medizinstudenten ihre klinische Ausbildung im Medizincampus beginnen

Chefarzt Stark referierte selbst über zwei wesentliche Neuerungen in der Behandlung des metastasierten Prostatakrebses. Bisher wird der Testosteronentzug mit einem weiteren Medikament kombiniert. In Frage kommen hier sowohl eine Chemotherapie sowie Medikamente, die direkt am sogenannten Androgenrezeptor der Prostatazelle ansetzen bzw. Medikamente, die in die Synthese des Testosterons eingreifen. Aktuelle Studien haben nun gezeigt, dass eine Dreier-Kombination aus Testosteronentzug, Chemotherapie und einem neuen Androgenreptorantagonisten die Überlebenszeit deutlich verlängert. Positive Studienergebnisse gibt es auch für die Therapie mit Lutetium-PSMA. Bei dieser Therapie wird eine radioaktive Substanz an das PSMA, das prostataspezifische Antigen, gebunden. Die radioaktive Substanz wirkt dadurch direkt an der Tumorzelle. Diese Therapie ist derzeit noch austherapierten Patienten vorbehalten, zeigt in fortgeschrittenen Stadien jedoch Vorteile gegenüber der Chemotherapie.

Über die Möglichkeiten der operativen Behandlung der Inkontinenz beim Mann berichtete Oberarzt Dr. Andreas Rohe von der Klinik für Urologie in Deggendorf. Verletzungen des Harnröhrenschließmuskels beim Mann, die meist durch Operationen verursacht sind, stellen für die Betroffenen eine erhebliche Belastung dar. Aus Scham sprechen viele Patienten nicht darüber, oft mit der Folge eines sozialen Rückzugs. Therapeutisch bieten sich hier sogenannte Bänder an, die um die Harnröhre gelegt werden und bei nur geringem Urinverlust häufig eine Besserung bringen. Bei ausgeprägter Inkontinenz bietet sich die Implantation eines künstlichen Schließmuskels an. Hierbei wird ein sog. “cuff” um die Harnröhre gelegt. Dieser cuff füllt sich automatisch und verschließt die Harnröhre, zum “Wasserlassen” bedient der Patient eine kleine Pumpe die im Hodensack liegt. Die Erfolgsraten dieser Behandlung sind sehr hoch, wesentlich ist jedoch eine genaue präoperative Abklärung und Untersuchung durch den Urologen.

Über die Bedeutung der Chemotherapie im Zeitalter der Immuntherapien berichtete Oberarzt Dr. Christian Röhr ebenfalls von der Klinik für Urologie in Deggendorf. Im Jahre 1844 von dem Italiener Michele Peyrone erstmals synthetisiert, ist Cis-Platin unverändert seit Jahrzehnten wesentlicher, hoch wirksamer Bestandteil der urologischen Tumortherapie. Hodentumore sind auch im metastasierten Stadium durch Kombinationen mit Cis-Platin heilbar, und auch beim Harnblasenkrebs kommt es durch Cis-Platin häufig zu einem deutlichen Ansprechen des Tumors, gelegentlich auch mit völliger Zurückbildung der Tumorzellen. Durch die moderne Begleitmedikation ist die Chemotherapie mit Cisplatin dabei relativ gut verträglich. Auch moderne Immuntherapien setzen zum Teil die Vorbehandlung mit CisPlatin voraus.

Über die mögliche Rezidivprophylaxe bei fortgeschrittenen urologischen Tumoren berichtete Oberarzt Dr. Johannes Breyer von der urologischen Universitätsklinik Regensburg. Bei operativ behandelten Harnblasentumoren und Nierentumoren, die ein hohes Risiko für ein Rezidiv haben, kann mit einzelnen Immuntherapeutika ein erneutes Auftreten der Erkrankung teilweise verhindert werden. Da die Immuntherapie jedoch das Immunsystem beeinflusst, kann es zu unerwarteten immunologischen Nebenwirkungen kommen, die beim einzelnen Patienten nicht vorherzusehen sind. Diese können dabei noch Jahre nach der Behandlung auftreten.

Nach einer anregenden Pause referierte Dr. Alexander Korte, leitender Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, unter dem Titel: “Der kleine Unterschied und die Folgen: Warum es zwei Geschlechter gibt, aber kein drittes”, zu den Ursachen der Binarität der Geschlechter. In einem ausführlichen Exkurs über die Evolution legte Korte dar, dass es zwar eine große Vielfalt in den Funktionen von männlich und weiblich gibt, jedoch ein derzeit propagiertes drittes- oder viertes, fünftes etc. Geschlecht nicht gibt. Davon abzugrenzen sind Schwierigkeiten, sich mit dem eigenen Geschlecht zu identifizieren. Hier ist eine qualifizierte, psychologische Begleitung der Betroffenen erforderlich. Entschieden wandte sich Korte gegen Bestrebungen, die Pubertät durch gegengeschlechtliche Maßnahmen aufzuhalten, um dem Betroffenen im Erwachsenenalter die Wahl zwischen männlich und weiblich zu ermöglichen. Äußerst kritisch sah Korte auch den aktuellen Gesetzentwurf, nach dem Kinder mit 14 Jahren selbst, ohne Hinzuziehung einer fachlich qualifizierten Betreuung, am Standesamt festlegen können, ob sie männlich oder weiblich sind. Eindringlich warb Korte für einen wissenschaftlichen begründeten Austausch und kritisierte den teils ideologisch dominierten öffentlichen Diskurs.


Bildunterschrift: Gaben aktuelle Informationen zur Männergesundheit: Dr. Alexander Korte (v.l.), Dr. Johannes Breyer, Chefarzt Dr. Leonhard Stark, Dr. Andreas Rohe und Dr. Christian Röhr.