„Desinfektionsmittel gehören nicht in den Haushalt"

05.11.2020

Der Dingolfinger Anzeiger hat unseren Hygienearzt Thoas Merbach zu Desinfektionsmitteln befragt. Das Interview finden Sie hier:  

„Desinfektionsmittel gehören nicht in den Haushalt“. Diese Devise gab vor Jahren das Bundesinstitut für Risikobewertung aus. Die Begründung: Desinfektionsmittel würden Stoffe enthalten, die für die Gesundheit und die Umwelt gefährlich sein können. So könnten zum Beispiel Allergien und Ekzeme ausgelöst werden können. Gelten diese Warnungen nun nicht mehr?
Durch Einsatz eines ein Desinfektionsmittels wird die Anzahl der dort vorhandenen Mikroorganismen reduziert. Diese für Lebewesen per se schädliche Wirkung muss bei jedem Einsatz bedacht werden. Deshalb sind in vielen Fällen entsprechende Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Handschuhen, bei der Anwendung erforderlich.
Eine generelle Empfehlung zum Einsatz von Flächendesinfektionsmitteln im häuslichen Umfeld kann nicht ausgesprochen werden. Handelsübliche Reiniger (z.B. auf Essigbasis) sind hier völlig ausreichend.
Da bei den meisten Infektionskrankheiten eine durch Berührung mit den Händen hervorgerufene Kontaktübertragung eine Rolle spielt, ist eine gute Händehygiene ein sehr wichtiger Bestandteil der Vermeidung von Infektionsübertragungen. Im häuslichen Alltag ist bei gesunden Personen das Händewaschen ausreichend.   

Chemiker sehen in Desinfektionsmitteln einen großen Chemikaliencocktail. Sollte man beim Einkauf von Desinfektionsmitteln darauf achten, dass bestimmte Inhaltsstoffe nicht enthalten sind?
Zur Händedesinfektion sind nur Produkte, die als solche ausgewiesen sind, zu benutzen. Von einer Verwendung anderer Desinfektionsmittel, z.B. auf Chlorbasis, zur Händedesinfektion ist strikt abzuraten, da hier eine erhebliche Schädigung der Haut zu erwarten ist.
Zur Händedesinfektion wird ein auf Alkohol basierendes Mittel empfohlen. Ein begrenzt viruzide Wirkung reicht für die Beseitigung des Coronavirus (SARS CoV-2) aus.

Im Internet kursieren zahlreiche Anleitungen, wie man Desinfektionsmittel für die Hände selbst herstellen kann. So stößt man auf die Empfehlung, Wodka mit Kokosfett und Teebaumöl zu mischen. Was ist vom Selbstanmischen eines Desinfektionsmittels zu halten?
Generell birgt die Eigenherstellung von Desinfektionsmitteln das Risiko einer mangelhaften oder gar fehlenden Desinfektionsleistung oder erheblicher Nebenwirkungen durch Fehldosierungen. Da es momentan keinen Engpass an Händedesinfektionsmitteln gibt, sollte in jedem Fall auf handelsübliche Produkte, die entsprechenden Tests unterzogen wurden, zurückgegriffen werden.

Könnte man sich die Verwendung von Hand-Desinfektionsmitteln sparen, wenn man sich oft genug die Hände wäscht?
Händewaschen mit Seife führt zu einer Reduktion sämtlicher auf der Haut befindlichen Substanzen und Erreger. Dies ist im häuslichen Umfeld ausreichend. Hierbei sollte jedoch auf eine ausreichende Dauer der Händewaschung geachtet werden.
Die Anwendung einer Handbürste ist verzichtbar, um zusätzliche Hautirritationen zu vermeiden.
Der Abnahme des Fettgehaltes der Haut durch Händewaschen sollte durch regelmäßige Anwendung einer Handcreme entgegengewirkt werden.

Wie sieht es beim Putzen zuhause aus?
Wie schon erwähnt ist die Anwendung handelsüblicher Reiniger vollkommen ausreichend.

In Fernsehberichten hat man gesehen, wie in Südkorea und China aus Lastwägen ganze Straßenzüge mit Desinfektionsmitteln besprüht werden. Könnte man so ganze Wohnviertel virenfrei bekommen?
Der Einsatz von Desinfektionsmaßnahmen  bei einer Erregerbeseitigung sollte immer möglichst zielgerichtet erfolgen. Kontaktflächen stellen in der Übertragung von Covid nicht die Hauptursache dar. Ein derartig ungezielter Einsatz von Desinfektionsmitteln bei der Beseitigung des SARS CoV-2 Virus ist nach derzeitigem Kenntnisstand wenig sinnvoll.
Die im Fernsehen gesehenen Bilder der Anwendung der Desinfektionsmittel mit LKW auf Plätzen und Straßen stammten, nach meiner Kenntnis, aus den Anfangszeiten der Pandemie,  als die Virulenz und die Art der Übertragung des Erregers weitgehend unklar war.

Ein amerikanischer Präsident hat ins Gespräch gebracht, Desinfektionsmittel intravenös zu spritzen. Was würde passieren, wenn man es tut?
Von einer derartigen Anwendung ist dringend abzuraten, da hier erhebliche (sogar tödliche) Schädigungen des menschlichen Organismus zu erwarten sind! Desinfektionsmittel sind nur zur äußeren Anwendung geeignet.

Hygienearzt Thoas Merbach