Der Start der Generalistik ist gelungen

02.10.2020

Sie leitet eine der größten Pflegeschulen in Niederbayern. Andrea Klarl hat 1987 ihre Ausbildung abgeschlossen, arbeitet seit 1988 am DONAUISAR Klinikum und wechselte 1994 an die damalige Berufsfachschule für Krankenpflege. Seit vielen Jahren leitet sie die Schule. Wir haben Sie nach ihren ersten Erfahrungen zur neuen generalistischen Pflegeausbildung gefragt.

Frau Klarl seit einigen Wochen läuft die generalistische Pflegeausbildung? Wo sehen Sie die Vorteile?

Der Beruf wird attraktiver, weil die Absolventen ein breites Arbeitsfeld bekommen. Sie sind nicht mehr ein Leben lang auf eine bestimmte Altersstufe der Patienten festgelegt. Sie müssen nicht gleich am Anfang entscheiden, ob man sich um Kinder, Erwachsene oder alte Menschen kümmern möchte. Auch das Verständnis für die anderen Bereiche wächst, weil man schon in der Ausbildung einen Einblick bekommt. Wir nähern uns damit auch dem europäischen Standard an. Dort ist die Dreiteilung der Ausbildung wie in Deutschland nicht üblich. Auch die Anerkennung der Altenpflege steigt durch die Angleichung der Ausbildung.

Aber wo Licht ist, ist auch Schatten, oder?

In den ersten Jahren wird es bestimmt Probleme mit der Praxis geben. Die Schüler sind zwar breiter aufgestellt, aber weniger spezialisiert. Was heute ein Schüler im zweiten Jahr kann, wird er demnächst nicht mehr zum selben Zeitpunkt beherrschen. Daran müssen sich alle erst einmal gewöhnen. Letztlich muss die Spezialisierung dann bei den Berufseinsteigern erfolgen. Die Einarbeitung wird da nicht reichen. Das ist dann eine künftige Aufgabe der Arbeitgeber.

Wie verlief der Umstellungsprozess?

Wir haben vor zwei Jahren die ersten Überlegungen angestellt. Die ersten Feinabstimmungen sind dann in der praktischen Ausbildung gelaufen, weil man wesentlich mehr praktische Ausbildungsstellen braucht. Wir benötigten Partner in der ambulanten und stationären Altenpflege. Zur Abstimmung haben wir eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. Dadurch arbeiten jetzt alle auf der gleichen Grundlage. Im Januar haben wir den theoretischen Lehrplan bekommen. Bis April mussten wir unsere Ausarbeitung vorlegen, um die staatliche Anerkennung zu bekommen. Das war ein ganz schöner Ritt. Insgesamt ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Ziele sind anders, alle Fächer sind anders. Da mussten sich auch die Lehrkräfte von lieb gewonnen Ansätzen trennen und Neues aufbauen.

Sie sind ja auch schon ein paar Jahre im Geschäft. Wie sehen Sie die Entwicklung der Pflege?

Die Verweildauer der Patienten ist wesentlich kürzer. Damit ist alles schnelllebiger geworden. Den Druck der Krankenkassen spürt man auch in der Pflege. Das hat es vor 30 Jahren nicht gegeben. Gleichzeitig sind auch die Ansprüche der Patienten gewachsen. Positiv hat sich verändert, dass viele Hilfstätigkeiten von anderen Kollegen übernommen werden. Zum Beispiel das Einräumen der Medikamente. Das Ansehen der Pflege war lange Zeit nicht so gut, da hatte Corona ausnahmsweise etwas Gutes. Auch die Stellenangebote sind mehr geworden. Mein Wunsch wäre die Eigenständigkeit der Pflege auf Augenhöhe mit dem Arzt – nicht nur als Kollegen, sondern auch als Profession.

Würden Sie heute wieder in die Pflege gehen?

Ja, weil wir trotz der Schwierigkeiten das Arbeiten mit und am Menschen sehr viel Freude bereitet. Die direkte Dankbarkeit gibt einem viel. Aber genauso zählt die professionelle Hilfe für den Patienten. Auch die Entwicklungsperspektiven haben sich in den letzten Jahren deutlich erweitert.