Eine große Tagung für die Kleinsten

15.11.2019

12. Deggendorfer Neonatologie-Tag am DONAUISAR Klinikum

Über 130 Teilnehmer aus dem In- und Ausland haben sich zu einem in Fachkreisen etablierten Symposium getroffenen, um sich einen Tag lang mit Vorträgen von namhaften und international anerkannten Referenten fortzubilden. Zum Programm gehörten auch verschiedenste Seminaren und Workshops, in denen es um praxisbezogene Themen im gegenseitigen kollegialen Austausch ging. „Mit dieser neuen Rekordzahl an Teilnehmern stoßen wir so langsam an die Grenze unserer Kapazitäten, aber dennoch freut es mich natürlich sehr, dass unsere Veranstaltung immer größere Kreise zieht und immer mehr Kollegen aus den unterschiedlichen Berufsgruppen zu dieser Tagung nach Deggendorf kommen“, so der wissenschaftliche Organisator und Oberarzt Dr. Michael Welsch.

Schon in der Einladung umriss er das Programm mit folgenden Worten: „Natürlich liegt der Schwerpunkt unserer Tätigkeit in der akuten Behandlung der uns anvertrauten kleinen Patienten, in einem besseren Verstehen und einer optimierten Therapie bekannter Probleme ebenso wie in der Bereitschaft und Offenheit, bei vorhandener Evidenz auch neue Wege einzuschlagen. Und dennoch benötigen wir sowohl den vorausschauenden Blick, wenn es beispielsweise um die Verhinderung von Gefahren geht, ebenso wie den Blick zurück, was unser Tun und Handeln denn auf lange Sicht tatsächlich bewirkt.“

Sowohl in der Eröffnung der Tagung durch Chefarzt Dr. Michael Mandl als auch in den Grußworten des stellvertretenden Landrats Roman Fischer und des Oberbürgermeisters Dr. Christian Moser wurde auf die Bedeutung des derzeitigen Neubaus der Frühgeborenen-Intensivstation als große Investition für die Zukunft hingewiesen.

Chefarzt Dr. Michael Mandl eröffnet die Tagung.

Prof. Boris Kramer von der Universität Maastrich (Niederlande) ging in seinem Vortrag über schwere Infektionen bei Früh- und Neugeborenen einerseits auf die Wichtigkeit der Anwendung von systematischen Testverfahren zum Streptokokken-Nachweis bei allen Schwangeren ein, um erhöhte Risiken für Kinder nach der Geburt zu erkennen; andererseits betonte er, dass Auffälligkeiten bei der qualifizierten Überwachung innerhalb der ersten zwei Lebenstage oft von größerer Bedeutung sind als die alleinige Beurteilung von Laborwerten und dass die Aufklärung von Eltern bzgl. Anzeichen einer Infektion auch gerade für die Zeit nach der Entlassung aus der Klinik kolossal wichtig ist, um Infektionen rechtzeig erkennen und behandeln zu können.

Die Grippeschutz-Impfung stand im Vortrag von Prof. Ortwin Adams im Fokus; gerade unter dem Aspekt, dass es im Zusammenhang mit Frühgeborenen, die selbst in den ersten sechs Monaten nicht geimpft werden können, darum geht, durch die Impfung von nahen Kontaktpersonen wie die Eltern oder das Personal von Frühgeborenen-Intensivstationen das Risiko einer Ansteckung zu verhindern. Eine Infektion könnte nämlich für diese sehr abwehrgeschwächten kleinen Patienten sehr gefährlich werden.

Die Bedeutung eines frühen direkten Haut-zu-Haut-Kontaktes von Mutter und Kind (Bonding) als Basis für eine intensive Mutter-Kind-Beziehung und ein erfolgreichen Still-Start ist zwar schon seit den Siebziger-Jahren bekannt, gerade bei kleinen Frühgeborenen wurde dies in der Vergangenheit u.a. auch wegen Sicherheitsbedenken oder organisatorischen Problemen nur selten praktiziert. Über die mehrjährigen Erfahrungen mit Bonding von teils kleinsten Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit aus der Universitätsklinik in Köln berichtete Dr. Eva Heine und beeindruckte damit viele der Anwesenden.

 Ehrengäste und Referenten beim 12. Deggendorfer Neonatologie-Tag.

Prof. Peter Bartmann von der Universität Bonn stellte mit den Ergebnissen der Bayer. Entwicklungsstudie eine der wenigen Nachuntersuchungen von kleinen Frühgeborenen vor, die auch im Erwachsenenalter noch Kontrollen durchführten und damit wirkliche Langzeit-Daten erheben konnten. Sehr kleine Frühgeborenen haben heute häufig eine gute Zukunft, dennoch können Aufmerksamkeitsprobleme und Leistungsstörungen auch zu einem späteren Zeitpunkt eine Rolle spielen. Auch wenn frühere Untersuchungen noch nicht alle Entwicklungsfacetten offenbaren, wies Prof. Bartmann auf die Wichtigkeit der Durchführung der routinemäßigen Entwicklungstests aller kleiner Frühgeborenen < 1500 g Geburtsgewicht im Alter von zwei Jahren hin, da Auffälligkeiten im Sinne von späteren Lernbeeinträchtigungen bereits zu diesem Zeitpunkt gut vorhergesagt werden können, was für eine frühzeitige Einleitung von Unterstützungsmaßnahmen von großer Bedeutung ist.

In den praxisorientierten Seminaren und Workshop standen Themen aus den unterschiedlichen Berufsgruppen auf dem Programm: pflegerisch war die Herausforderung der Stillberatung bei kleinen Frühgeborenen inklusive der optimalen Koordination der Beratung in den verschiedenen Behandlungsbereichen Wochenbettstation und Frühgeborenen-Abteilungen durch die Stillexpertinnen Lisa Goertzen, Michaela Schick und Regina Windorfer aufgegriffen und vertieft worden. Ärztlicherseits wurde von Oberarzt Dr. Batzlsperger ein praktisches Training in der Notfallversorgung mit einem Gefäßzugang unmittelbar nach der Geburt durchgeführt. Und über ihre eindrucksvolle Arbeit als Klangtherapeutin bei Frühgeboren inklusive einer praktischen Selbsterfahrung der Wirkung von Klängen berichtete Claudia Sebralla. Sie betreut seit über einem Jahr Frühgeborene und ihre Eltern regelmäßig auf der Intensivstation, um darüber eine Brücke der „Ver-Bindung“ in dieser unnatürlich frühen Trennungssituation aufzubauen. Möglich gemacht wurde und wird dies durch die Finanzierung des Fördervereins der Kinderklinik „KRAKI“.

Am Ende der Tagung dankte Dr. Welsch den vielen in Vorbereitung und Durchführung Beteiligten, die „mit wirklichem Herzblut“ die Veranstaltung zu einem ganz besonderen Ereignis werden ließen, wie viele der Teilnehmer in ihrer Rückmeldung zum Ausdruck brachten.

Der wissenschaftliche Organisator Dr. Michael Welsch erläutert den 130 Teilnehmern den Abaluf der Tagung.