Neue Medikamente und Denkansätze in der Urologie

27.11.2017

Neue Medikamente und Denkansätze in der Urologie
Urologie-Experten referieren beim 14. Deggendorfer Urologie-Tag

Neue Therapien und Denkansätze standen im Mittelpunkt des 14. Deggendorfer Urologie-Tages. Zu Beginn begrüßte Chefarzt Dr. Leonhard Stark vom DONAUISAR Klinikum herzlich die Kollegen des Universitätsklinikums Regensburg, die über brandneue Therapiemöglichkeiten informierten.

„Neues zum Prostatakarzinom“- mit diesem Vortrag eröffnete Dr. Stark das Programm. Highlight der Fachtagung im vergangenen Jahr war die Kombination aus Hormonentzug und Chemotherapie als Therapieform der ersten Wahl beim metastasierten Prostatakarzinom. Neueste Studienergebnisse zeigen nun, dass die Kombination aus Hormontherapie und dem Testosteronhemmer Abiraterone der primären Hormon-Chemotherapie sogar überlegen ist und auch eine bessere Verträglichkeit aufweist. „Der Hormonentzug ist ein altes und bewährtes Konzept, der Einsatz des Wirkstoffes Abiraterone nicht wirklich neu, aber eine kombinierte Therapie zeigt verblüffende Ergebnisse“, so Dr. Stark. Oft seien es nicht nur neue Substanzen, die zu verbesserten Therapieerfolgen führten, sondern eben auch neue Denkansätze.

Über den aktuellen Stand der Diagnostik und Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms mit dem Prostata-spezifischen Membran-Antigen (PSMA), berichtete Prof. Dr. Dirk Hellwig, Leiter der Abteilung für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Regensburg. Das PSMA ist ein sogenanntes Glycoprotein, welches nahezu ausschließlich auf Prostatazellen vorhanden ist. Bindet man nun an das PSMA schwach radioaktive Substanzen, können Metastasen bereits in frühesten Stadien nachgewiesen werden. Therapeutisch wird das PSMA genutzt, indem Substanzen mit hoher Radioaktivität, zum Beispiel das Lutetium,  an das PSMA bindet. Auf diese Weise ist eine hochspezifische Therapie der Metastasen möglich. Diese Entwicklung stehe noch am Anfang, es würden sich jedoch bereits jetzt Erfolge zeigen, die noch vor kurzem undenkbar erschienen.

Völlig neu sei auch die Therapiemöglichkeit des lokal begrenzten Prostatakrebs, die Prof. Dr. Maximilian Burger, Leiter der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Regensburg vorstellte. War bisher bei der Therapie des lokal begrenzten, also noch nicht metastasierten Prostatakrebs, die Entfernung oder die Bestrahlung des gesamten Organs die Regel, ermöglicht nun eine hochspezifische Bildgebung die lokale Zerstörung des Tumors in ausgewählten Einzelfällen. Hierzu werde nach histologischer Sicherung lediglich der vom Tumor betroffene Teil der Prostata mittels hochfokussiertem Ultraschall (HIFU) zerstört. Wenngleich diese Therapie noch durch entsprechende Studien abgesichert werden muss, bestehe Hoffnung, Patienten mit einem Prostatatumor in frühem Stadium eine schonende und dennoch wirksame Therapie anbieten zu können.

Über die Möglichkeit der Embolisierung, also der Verödung der Prostata, berichtete Dr. Lukas Beyer, Funktionsoberarzt der Abteilung für Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Regensburg. Bei der Embolisierung der Prostata werden die feinen Blutgefäße, welche die Prostata versorgen, unter radiologischer Kontrolle dargestellt und verödet. Die Herausforderung hierbei seien die extrem feinen und verästelten Blutgefäße, die eine Darstellung oft erheblich erschweren würden. Letztlich bleibe die Verödung, trotz gewisser Risiken, die letzte Wahl für Patienten, für die eine herkömmliche Therapie der Prostatavergrößerung nicht in Frage komme. An dieser Stelle berichtete Dr. Stark von einem Patienten mit einem großen blutenden Prostatatumor, der durch die Kollegen am Universitätsklinikum Regensburg, mit denen das DONAUISAR Klinikum Deggendorf eine enge Kooperation verbindet, erfolgreich verödet werden konnte.

Nach einem regen fachlichen Austausch in der Kaffeepause berichtete Privatdozent Dr. Dominik Modest von der Universitätsklinik Großhadern über den aktuellen Stand der Therapie verschiedener Tumoren mit den sogenannten „Checkpoint-Inhibitoren“. Tumoren überlisten unser Immunsystem, indem sie Strukturen auf ihrer Zelloberfläche bilden, die dem Immunsystem vorgaukeln, es handele sich um körpereigene, gesunde Zellen. Durch die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren wird diese Tarnung aufgehoben und der Tumor so dem Angriff des Immunsystems ausgesetzt. Durch diesen Therapieansatz gelingt es, auch extrem aggressive Tumoren wirksam zu behandeln.

Zum Ende des Urologie-Tages sprach Privatdozent Dr. Andreas Wiedemann, Leiter der Klinik für Urologie am Evangelischen Krankenhaus Witten, über ein häufiges und überaus lästiges Problem des älteren Menschen: die überaktive Harnblase. Die Inkontinenz werde oftmals verheimlicht, obwohl diese für den Patienten sehr quälend und belastend sein könne. Nächtliche dringliche Toilettengänge würden gerade bei älteren Patienten häufig zu Stürzen führen. Tückischerweise verschlechtern manche Medikamente, die zur Therapie der überaktiven Harnblase eingesetzt werden, das Denkvermögen der Patienten. Durch sorgsamen Einsatz der Medikamente gelingt es jedoch häufig, die Patienten ohne weitere Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit von ihrer Inkontinenz zu befreien.

Foto (v.l.): Dr. med. Lukas Beyer, Dr. med. Leonhard Stark, Prof. Dr. med. Maximilian Burger, Prof. Dr. med. Dipl. Phys. Dirk Hellwig