Schnell in den Alltag zurückführen - Altersmedizin

03.05.2017

Schnell in den Alltag zurückführen
Im Interview mit Dr. Peter Kolbinger, Chefarzt der Akutgeriatrie am DONAUISAR Klinikum

Herr Dr. Kolbinger, Sie sind Chefarzt der Akutgeriatrie. Was ist das Besondere an Ihrer Abteilung?
Die Akutgeriatrie ist spezialisiert auf die Behandlung von Patienten im höheren Lebensalter. So wie es unsere Kollegen in der Kinderheilkunde nicht einfach mit kleinen Erwachsenen zu tun haben sind auch bei den geriatrischen Patienten altersbedingte Besonderheiten zu beachten, die in der spezialisierten Organmedizin leicht übersehen werden können. Altersmedizin ist daher ganzheitlicher ausgerichtet, berücksichtigt den funktionellen Status des Patienten und nicht zuletzt: Altersmedizin ist Teamarbeit in einem multiprofessionellen interdisziplinären Team unter Einbeziehung der Angehörigen, um die bestmögliche Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

Was ist die wichtigste Botschaft für Ihre Patienten und deren Angehörige?
Damit wir unserem ganzheitlichen Behandlungsansatz gerecht werden können, sind wir auf möglichst umfassende Informationen über den Patienten, seine Vorerkrankungen, seine Medikamente und seine bisherigen Lebensumstände angewiesen. Hier sind die Angehörigen eine große Hilfe, wenn sie uns mitteilen, wie der Patient bisher in seinem Umfeld zurecht gekommen ist, welche Medikamente er einnimmt, welche Vorbehandlungen er hatte und welche Unterstützungsmöglichkeiten. Weisen Sie uns daher darauf hin, wenn Sie das Gefühl haben, dass die Versorgung zu Hause kritisch ist, damit wir hier rechtzeitig gemeinsam eine Lösung finden können.

Wie sehen konkret Ihre Konzepte in der Geriatrie aus? Wo können Sie helfen?
Um den Patienten besser einschätzen zu können, steht zu Beginn unserer Behandlung – neben den allgemeinen krankheitsbezogenen Untersuchungen – das geriatrische Assessment. Hierbei erfassen wir mittels strukturierter Fragebögen und standardisierter Testverfahren systematisch die körperliche und geistige Alltagskompetenz, aber auch die Defizite, die familiären und häuslichen Lebensumstände, und auch die emotionalen Aspekte. Im Team legen wir daraufhin unser individuelles Therapieprogramm fest.

Auch hier möchte ich einige Beispiele nennen: Zeigt sich im Assessment zum Beispiel eine erhebliche Gangunsicherheit mit erhöhtem Sturzrisiko, so braucht der Patient eine intensive physiotherapeutische Übungsbehandlung, um wieder stabiler zu werden, auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, wie beispielsweise einem Rollator, kann hier angeregt werden. Gleichzeitig klärt unser Sozialdienst, ob im aktuellen Zustand die Versorgung zu Hause wieder gewährleistet ist oder ob zur weiteren Stabilisierung vielleicht eine zusätzliche Rehabehandlung oder eine Kurzzeitpflege erforderlich ist. Liegt begleitend eine Demenz vor, so profitiert der Patient von der Teilnahme an unserer Beschäftigungsgruppe, weil hier die kognitiven Funktionen trainiert werden und der strukturierte Tagesablauf Halt und Orientierung gibt.

Eine Kombination aus Akutkrankenhausbehandlung und Rehabilitation bieten wir in Form der akutgeriatrischen Frühreha-Behandlung an. Diese ist in der Regel auf einen zweiwöchigen stationären Aufenthalt ausgelegt und richtet sich vor allem an Patienten, die aufgrund einer schweren Erkrankung akut ihre Selbstständigkeit verloren haben und dadurch einen höheren Reha-Bedarf haben. 

Was ist der Unterschied zur üblichen stationären Behandlung in einem Krankenhaus?
Hier möchte ich vorausschicken, dass die Behandlung der akuten Erkrankung, die den Patienten ins Krankenhaus geführt hat, zunächst genauso erfolgt, wie in den anderen Abteilungen auch: Eine Lungenentzündung zum Beispiel behandeln wir natürlich genauso mit Antibiotika wie anderswo auch. Darüber hinaus haben wir aber auch den ganzen Patienten im Blick, mit seinen Begleiterkrankungen, seiner funktionellen Leistungsfähigkeit sowie seinem Lebensumfeld. So können wir vom ersten Tag der Behandlung daran arbeiten, auch die Stabilität und Selbsthilfefähigkeit des Patienten zu verbessern. Nicht, dass bei der Entlassung zwar die Lungenentzündung erfolgreich ausgeheilt ist, der zuvor gebrechliche aber noch leidlich selbstständige Patient, inzwischen zu einem Pflegefall geworden ist. Das belegen auch zahlreiche Studien, dass die Behandlung im multiprofessionellen, geriatrischen Team in sehr vielen Fällen Pflegebedürftigkeit vermeiden kann. 

Und wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Traumatologie?
Traditionell war es ja so, dass ein Patient mit einer Unfallverletzung in der unfallchirurgischen Abteilung behandelt und erforderlichenfalls operiert wurde. Kam es im Verlauf zu unerwarteten Komplikationen, wie einem Verwirrtheitszustand oder einem Infekt, dann wurde der Internist oder auch der Nervenarzt hinzugezogen.
Mit dem Konzept unseres zertifizierten AltersTraumaZentrums haben wir diese strikte Trennung aufgebrochen und können so dem älteren Traumapatienten, bei dem erfahrungsgemäß sehr häufig mit Komplikationen zu rechnen ist, vieles ersparen. Von Beginn der Behandlung arbeiten hier ein unfallchirurgisches Team und geriatrisches Team Hand in Hand zusammen – vereinfacht gesagt: „Der Unfallchirurg kümmert sich um den Knochenbruch und der Geriater um den Rest“. Durch unser Assessment und durch ein tägliches Delir-Screening können wir so frühzeitig auf sich abzeichnende Komplikationen reagieren oder diese sogar vorbeugend vermeiden. Gleichzeitig beginnen die rehabilitativen Maßnahmen dabei so früh wie möglich, um den Patienten rasch wieder fit zu bekommen. Denn der Muskelverlust der durch eine längere Bettlägerigkeit entsteht, kann ein bereits gebrechlicher Mensch oft nicht mehr aufholen.

Welche Patienten profitieren von Ihrer Behandlung?
Wir sind in der Altersmedizin spezialisiert auf die Menschen im höheren Lebensalter, also in der Regel Patienten über 70 Jahre. Wichtiger als das kalendarische Alter ist das Vorliegen spezifischer alterstypischer Begleitumstände und Begleiterkrankungen. Dies betrifft insbesondere Menschen, die bereits auf pflegerische Unterstützung oder auf Hilfsmittel angewiesen sind, deren Mobilität eingeschränkt ist, Patienten mit Schwindel und Sturzneigung, Mehrfachmedikation oder häufigen Krankenhausbehandlungen in letzter Zeit.

Wenn also schon eine gewisse Gebrechlichkeit vorliegt, sei es in körperlicher oder geistiger Form, dann sind Sie in der Akutgeriatrie bestens aufgehoben. Patienten die aufgrund ihrer Erkrankung einer sofortigen Intervention oder Operation bedürfen, sollten allerdings zunächst in die entsprechend spezialisierte Fachabteilung kommen, um bei der Notfallbehandlung keine Zeit zu verlieren: Also der Schlaganfallpatient in die Stroke-Unit, der Patient mit akutem Herzinfarkt in eine Klinik mit Herzkatheter und der Patient mit einem Darmverschluss in die Bauchchirurgie.

Wie kommt man zu Ihnen?
Die akutgeriatrischen Stationen im DONAUISAR Klinikum finden sich an den Standorten Deggendorf und Landau. Voraussetzung für die Aufnahme in die Akutgeriatrie ist die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung durch eine akute Erkrankung oder einen Unfall. In diesem Fall wird Ihnen ihr Hausarzt oder ein niedergelassener Facharzt einen Einweisungsschein ins Krankenhaus ausstellen. Zum anderen übernehmen wir auch Patienten aus anderen Abteilungen oder Krankenhäusern zur geriatrischen Frührehabilitation in Absprache mit den dortigen behandelnden Ärzten. Dies hat sich zum Beispiel bei den Schlaganfall-Patienten sehr gut bewährt, die zunächst in der spezialisierten Stroke-Unit (Schlaganfalleinheit) behandelt werden und nach der unmittelbaren Schlaganfallbehandlung zur weiteren Rehabilitation und zur Behandlung eventueller Begleiterkrankungen in die Geriatrie übernommen werden. Im Landkreis Dingolfing-Landau kann dies dazu führen, dass ein Patient mit einem akuten Schlaganfall zunächst vom Rettungsdienst in die Stroke-Unit ins Klinikum Dingolfing gebracht wird und dann nach wenigen Tagen zur Weiterbehandlung in die Akutgeriatrie nach Landau verlegt wird.

Derzeit bauen Sie das Angebot im Bereich der Akutgeriatrie am DONAUISAR Klinikum weiter aus. Können Sie uns schon verraten, wo die Reise hingeht?
Hier kann ich schon so viel verraten, dass unser Antrag auf eine geriatrische Tagesklinik von der Regierung jetzt genehmigt wurde, so dass wir mit den entsprechenden Vorbereitungen und Umbaumaßnahmen begonnen haben. Ich hoffe, dass wir mit diesem Angebot noch Ende des Jahres starten können. Es wird eine Zwischenform zwischen ambulanter und vollstationärer Behandlung, denn die Patienten sind tagsüber in der Klinik und abends und am Wochenende wieder zu Hause. Dies ist gedacht vor allem für Patienten mit chronischen Schmerzzuständen und Bewegungseinschränkung, die einerseits eine intensive Diagnostik und physiotherapeutische Übungsbehandlung benötigen, andererseits aber nicht zwingend auch in der Nacht behandlungsbedürftig sind.

Weitere Informationen dazu erhalten sie gerne, wenn wir mit unserer Umsetzung so weit sind, dass wir mit der Behandlung starten können. Aber ich bin sicher, es wird das medizinische Angebot für die ältere Bevölkerung in unserer Region weiter verbessern.