Dauerstress erhöht Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall

19.11.2016

„Herz unter Stress“ lautet das Motto der diesjährigen Herzwochen im November. Bei der bundesweiten Kampagne stehen dabei die Risikokrankheiten im Mittelpunkt der Aufklärung; denn Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen zählen zu den wichtigsten, beeinflussbaren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die leider viel zu häufig unterschätzt werden. Aber auch der Stress im Sinne von psychosozialen Belastungen hat eine wachsende Bedeutung als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Am Dienstag sprach darüber in der AOK Chefarzt Privatdozent Dr. Martin Giesler von DONAUISAR Klinikum. Eingeladen haben im Rahmen der Reihe "Gesundheit im Dialog" die AOK, vertreten durch Dietmar Liebhaber, der Kneippverein, vertreten durch Vorsitzenden Gerard Zacher und dessen Stellvertreter Erhard Strunz , das DONAUISAR Klinikum, vertreten durch Jürgen Stern, und die Vhs. Auch der Ärztliche Kreisverband unterstützte die Veranstaltung, zu der über 100 Personen erschienen waren. Für die Deutsche Herzstiftung sprach Elke Mehr und wies auf deren vielfältigen Informationsmaterialien hin. 

Der bekannte und versierte Deggendorfer Chefarzt stellte die Funktionen des Herzens, dessen Umfeld  und dessen Gefährdungspotential z.B. durch Ablagerungen an Hand eindrucksvollen Bildern vor. Und er warnte vor immer neuen "Erkenntnissen", die im Blätterwald schwirren. Es sollte auch nicht so sein, dass man alles, was gut schmeckt, nicht essen dürfe, meinte er mehr scherzhaft. Aber es gelte von Jung an auf sein Herz aufzupassen und entsprechend zu leben. 48 % der Todesfälle in Deutschland seien durch Herz-Kreislauferkrankungen begründet, 25 Prozent durch Krebs, 27 % durch sonstige Erkrankungen. Das seien nahezu eine halbe Million Menschen, da seien die etwa 5300 Verkehrstote im Straßenverkehr nur eine relativ kleine Zahl. 70 000 starben in einem Jahr allein  an Herzinfarkt. Es gelte auf den Blutdruck zu achten, der höchstens bei 120/130 zu 80mmHg. liegen sollte. Und er ging ausführlich auf das "schlechte und gute"  Cholesterin ein. Er stellte auch geeignete Medikamente bei zu hohem schlechtem Cholesterin und bei hohem Blutdruck vor. An Ursachen für koronare Herzkrankheiten nannte der Chefarzt u.a. Cholesterin, Veranlagung, Diabetes, Ernährung, Stress, Bewegungsmangel, psychosozial Faktoren, Bluthochdruck. Zwei bis dreimal täglich sollte es pflanzlich- dominierte Speisen und viel Obst geben. 

„Dauerstress, dem keine Entspannung folgt, macht krank, weil viele Menschen durch ihn leicht in Verhaltensweisen hineingeraten, die das Herz-Kreislauf-System ruinieren", betonte der Chefarzt. Betroffene greifen dann häufig zur Zigarette, ernähren sich aus Frust ungesund, werden dadurch übergewichtig oder trinken zu viel Alkohol und bewegen sich zu wenig. Auch Schlafmangel ist ein häufiges Problem. Die Folge sind Bluthochdruck, Diabetes, Erkrankungen der Herzkranzgefäße und Rhythmusstörungen. Dabei ist Stress nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Für blitzschnelles Reagieren in Belastungs- und Gefahrensituationen setzt der menschliche Organismus Stresshormone (Adrenalin und Noradrenalin) frei, die den Herzschlag beschleunigen, den Blutdruck erhöhen oder die Atmung anregen. Stress ist die Anpassungsreaktion des Körpers auf die Kräfte, die aus seiner Umwelt auf ihn einwirken. Anspannung gehört zum Leben, ihr muss aber Entspannung folgen, sonst führt der Dauerstress zu Erschöpfung und Immunschwäche. Inwieweit das schöne und schlechte Wetter zu derartigen Stressproblemen führt stellte der Chefarzt in Frage: "Wir wissen es nicht genau". 

Referenten

Von einzelnen Blutdruckerhöhungen zum dauerhaften Hochdruck
Einzelne Blutdruckerhöhungen hat die Natur vorgesehen, so die Deutsche Herzstiftung. In einer kurzfristigen Stresssituation sorgen Anpassungsmechanismen für ausreichend Blutdruck, um Muskeln und Organe mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Dabei spielen das autonome Nervensystem, d h. die Nerven, die nicht durch den Willen beeinflusst werden können, und das endokrine System (z. B. erhöhte Stresshormonspiegel, gesteigerte Cortisonspiegel) eine wichtige Rolle. So gelingt rasch eine Anpassung der Herzfrequenz, der Pumpleistung des Herzens und der Einstellung des Widerstands in den großen Gefäßen. Stressbedingt führt eine dauerhafte Überaktivierung des autonomen Nervensystems zu einer Steigerung der Herzleistung und zur Erhöhung des Blutdrucks. Der Körper reagiert auf diese nervös bedingte Steigerung auf Dauer mit einem Umbauprozess der Gefäßwand, die zur Steifheit der Gefäße führt. Gegen diese Gefäßveränderungen, die zu einem vermehrten Widerstand des Gefäßsystems führen, muss das Herz anpumpen – ein Teufelskreis. Durch diese chronische Anpassungsreaktion stellt sich der Organismus auf das veränderte Stressniveau ein: Der Zustand der Hochspannung wird zur Normalität. Hat sich der Körper auf das erhöhte Niveau eingestellt, ist der Bluthochdruck auf Dauer mit eigenen Mitteln, d. h. allein mit Entspannungstechniken gegen den Stress, nicht mehr zu senken. Medikamente werden in der Regel für die Behandlung notwendig. 

Die Vertreter der Deutschen  Herzstiftung haben zudem einen eigenen Stand aufgebaut umfangreiches Material mitgebracht und  weiter betont: Zu einer wirkungsvollen Stressbewältigung zählen Psychokardiologen neben der Änderung des Lebensstils durch Rauchverzicht, regelmäßige Ausdauerbewegung wie Radfahren, Schwimmen, Joggen, Nordic Walking (5-mal pro Woche je 30 Minuten), gesunde Ernährung z. B. im Sinne der traditionellen Mittelmeerküche, Gewichtsnormalisierung und mäßigen Alkoholkonsum, auch das Einbeziehen psychosozialer Probleme des Alltags in die Behandlung. Am besten ist es, mit Stress umgehen zu lernen, bevor sich aus Dauerstress Bluthochdruck oder Diabetes entwickelt. es wird empfohlen den eigenen Alltag aus großer Distanz – sozusagen aus der Helikopterperspektive – genau anzusehen und nach Alternativen zu hinterfragen, die eine Entlastung ermöglichen: am Arbeitsplatz etwa über Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, Jobsharing, Homeoffice), in der Familie durch eine neue Arbeitsteilung oder über Zeitinseln für Aktivitäten, die der Entfaltung von eigenen Interessen dienen. Selbst gewählte Herausforderungen wie Musizieren, Sprachen lernen, Sport (im Verein). Ausdauerbewegung ist nicht nur ein hervorragendes Anti-Stressmittel, sondern hat sich auch als Schlafmittel bewährt. Bei Entspannungstechniken sehen Spezialisten Vorteile insbesondere dann, wenn man sich auf den Atem und den eigenen Körper konzentrieren muss, weil diese Momente von den stressauslösenden Problemen weg führten. Vom Fernsehen als Variante der passiven Entspannung wird abgeraten.