Auf dem Weg zur sorgenden Gesellschaft

17.11.2016

Auf dem Weg zur sorgenden Gesellschaft
Überregionale Resonanz für die 4. Deggendorfer Palliativgespräche

Schon zum vierten Mal hat das DONAUISAR Klinikum Deggendorf zu den Palliativgesprächen eingeladen. Dass mit Herrn Landrat Christian Bernreiter und dem Dritten Bürgermeister Hermann Wellner viele Interessierte ins Kolpinghaus gekommen waren, freute Chefarzt Professor Dr. Siegfried Wagner ganz besonders. Neben Vorträgen und den Gesprächen gab es ein besonderes Glanzlicht: Eine junge Tänzerin aus Regensburg bereicherte die Veranstaltung mit anmutigen Darbietungen.
Mit der Sorge um sich und andere beschäftigte sich Professor Andreas Heller. Er verwies darauf, dass die moderne Gesellschaft eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten biete – das Leben ebenso wie das Sterben zu gestalten. Das gute Sterben werde heute als ein Sterben in Würde beschrieben. Diese Würde sei nicht relativierbar – auch nicht durch einen körperlichen oder geistigen Kontrollverlust, werde aber durch die Beziehungen miteinander bestätigt. Es sei eine große Errungenschaft der Palliativbewegung darauf hingewiesen zu haben: „Die sterbenden Menschen in ihrer Schwachheit dürfen nicht gedemütigt werden, sondern bedürfen der Würdigung.“ Auch in Zukunft solle man sich weiter um eine Gesellschaft bemühen, in der Menschen nicht ausgegrenzt werden.

Referenten
Sprachen über Palliativmedizin: Professor Andreas Heller (v.l.), Dr. Barbara Lighvani, Professor Dr. Siegfried Wagner, Dr. Elisabeth Albrecht und Landrat Christian Bernreiter.

Diese Gastfreundschaft sei der Urgedanke der Palliativmedizin. Eine neuere Entwicklung in diesem Bereich sei die Übernahme von Verantwortung durch die Kommunen. Dadurch wachse der Palliativgedanke aus den spezialisierten Einrichtungen hinaus in die Gesellschaft. In einer Gemeinde werde z. B. der Vereinsamung der pflegenden Angehörigen entgegen gewirkt. Dadurch entstehe ein Austausch untereinander, der das Leben reicher mache. Wesentliche Bedeutung komme dabei dem aktiven Zuhören zu als geeignete Grundlage, sowohl eine angemessene Selbstfürsorge als auch einen gesunden Altruismus zu leben. Durch das Anstoßen solcher Entwicklungen wirke die Palliativmedizin quasi vom Sterbebett aus in die Gemeinschaft.
Praktischeren Fragen wandte sich Dr. Elisabeth Albrecht von der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) Palliamo in Regensburg zu. Diese Einrichtung kümmert sich um unheilbar kranke Patienten, die eine besondere medizinische Hilfe benötigen. In Deggendorf übernimmt dies die SAPV PalliDONIS, die am Klinikum angesiedelt ist. Beide Einrichtungen wollen weder den gewohnten Hausarzt noch den gewohnten Pflegedienst verdrängen, sondern ergänzen bestehende Therapieangebote um konkrete Inhalte. Durch die Unterstützung könne der Patient die verbleibende Lebenszeit wertvoll nutzen und gleichzeitig werde der natürliche Sterbeprozess zu Hause ermöglicht, was sich viele wünschten. Dies sei allerdings nicht bei allen Patienten möglich: Die körperlichen Beschwerden müssten beherrschbar sein, das Sterben müsse vom Patienten selbst angenommen werden und von belastbaren Personen in der Umgebung mitgetragen werden.

Tänzerin

Die Bilanz der SAPV kann sich sehen lassen: „Von 197 Patienten sind nur acht nicht da gestorben, wo sie es wollten. 80 Prozent sind völlig ruhig verstorben. Darauf bin ich stolz“, so Dr. Albrecht. Um dieses Ziel zu erreichen, sei vor allem eine vorausschauende Betreuung wichtig. Manchmal müsse der Patient aber auch ins Krankenhaus: „Vor allem nächtliche Unruhe ist für die Angehörigen extrem belastend.“ Hier bewähre sich die enge Verbindung aller Versorgungseinrichtungen für sterbende Menschen: „Wir sehen uns nicht als Gegenspieler, sondern als Freunde.“
In ihrem Schlusswort dankte Organisatorin Dr. Barbara Lighvani von der Deggendorfer Palliativstation für das große Interesse, die anregenden Gespräche und freute sich schon auf eine Fortsetzung.