Faszinierende Einblicke beim Urologie-Tag

16.11.2016

Mit Neuigkeiten in der Therapie des metastasierten Prostatakrebs hat Chefarzt Dr. Leonhard Stark den 13. Deggendorfer Urologie-Tag eingeleitet. Wurde bei Patienten, die erst in metastasiertem Stadium diagnostiziert werden, bisher überwiegend zunächst nur der Hormonentzug durchgeführt, hat sich mittlerweile die Kombination von Chemotherapie und Hormonentzug in der Erstbehandlung durchgesetzt. Die Kombination zeigt deutlich bessere Resultate als der Einsatz der Chemotherapie erst nach Versagen des Hormonentzuges. 

Einen Meilenstein in Diagnostik und Therapie stellt die Entdeckung des sogenannten PSMA, des Prostata Spezifischen Membran Antigens dar. Diese Struktur wird nahezu ausschließlich auf der Oberfläche der Prostatakrebszellen gebildet. Durch die Entwicklung von Substanzen, die sich genau an dieses Membranantigen binden, lassen sich nun Metastasen in sehr frühen Stadien sichtbar machen. Der Schritt zur Therapie war nur ein kurzer: Durch die Bindung von hochwirksamen radioaktiven Substanzen, die nur auf kurze Entfernung wirken, ist es nun möglich die Tumorzellen gezielt zu zerstören. Eingesetzt wird diese neue Therapie derzeit nur bei Patienten, die auf die herkömmlichen Therapien nicht mehr ansprechen. 

Ausdrücklich betonte Dr. Stark, dass es sich hierbei noch nicht um Routinetherapien handelt. Vielmehr werden diese Therapien an einzelnen Zentren bei sogenannten „austherapierten“ Patienten angewendet. „Am wichtigsten ist es jedoch, den Patienten zu sehen. So faszinierend diese neuen Entwicklungen auch sind, für den Patienten ist oft eine fachlich und menschlich qualifizierte Palliativversorgung das Entscheidende“. Eindringlich verwies Dr. Stark auf die stationäre und ambulante Palliativversorgung wie sie am DONAUISAR Klinikum angeboten werden. Sie sind für den Patienten ein Segen. 

„Moderne Tumortherapie ist interdisziplinär“, leitete Dr. Stark den Vortrag von Prof. Beckhove, Leiter des Institutes für interdisziplinäre Immunologie an der Universität Regensburg, ein. Unser Immunsystem ist eine gefährliche Waffe. Erkennt es Zellen, die nicht in unseren Körper gehören, werden diese unerbittlich zerstört. Dabei haben unsere eigenen Zellen einen Schutz, um sich gegen Übergriffe des Immunsystems zu wehren. Hierfür produzieren alle körpereigenen Zellen Antigene auf ihrer Oberfläche, die dem Immunsystem signalisieren: „Tu‘ mir nichts, ich bin eine gute Zelle.“ Die Tumorzellen kopieren nun diese Antigene und verhindern so ihre Zerstörung durch das Immunsystem. Mit neuen Medikamenten kann man seit kurzem diese Antigene blockieren und so den Tumor „entlarven“. Das bisher getäuschte Immunsystem erkennt nun die Tumorzelle und vernichtet diese durch sogenannte „Killerzellen“. In der Urologie werden metastasierte Nierentumoren bereits auf diese Weise behandelt, eine Therapie für das metastasierte Harnblasenkarzinom steht kurz vor der Zulassung.

Dr. Busch

Dr. Volker Busch und Chefarzt Dr. Leonhard Stark (r.) 

Nach faszinierenden Einblicken in die Immunologie leitete Privatdozent Dr. Volker Busch in überraschende Aspekte der Neurophysiologie der Liebe über. „Gibt es einen Geruch, mit einem Mann die Liebe einer Frau praktisch automatisch zufällt?“, fragte Busch von der Uniklinik Regensburg. Die Wissenschaft gibt eine klare Absage: Zwar werden die entsprechenden Gehirnareale durch die Düfte aktiviert, aber eine Zuneigung entsteht nicht automatisch. Auch Lebensumstände können dazu beitragen, einen Partner sympathisch zu finden. Dem faszinierten Publikum schilderte Dr. Busch einen Versuch: Zwei Gruppen Männer wurden über eine Brücke geschickt – die einen über eine stabile Steinbrücke, die anderen über eine Hängegruppe über tiefer Felsenschlucht. Den Versuchspersonen erklärte man es würden Puls und Blutdruck gemessen. In Wirklichkeit wollten die Wissenschaftler untersuchen, inwieweit Gefahrensituationen dazu beitragen, jemanden sympathisch zu finden. Am Ende der Brücke wurden die Männer jeweils von einer jungen Dame abgeholt – und die Gruppe der Hängebrücke wollte weit häufiger ein Treffen mit der Dame arrangieren als die Gruppe der sicheren Steinbrücke. 

Wesentliche Faktoren für die Partnerwahl sind auch die Erfahrungen mit den eigenen Eltern sowie der eigene Kulturkreis. Neben der Partnerliebe gebe es auch die Gottes-, die Mutter- und Nächstenliebe, in der sich der allgemeine Wunsch nach Bindung ausdrückt. Abgesehen von Emotionen und Gefühl spielt auch die körperliche Funktion eine wesentliche Rolle in der Partnerbeziehung. In der Behandlung von Sexualstörungen ist daher die Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen der Beziehung erforderlich. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung haben junge Männer heute oft mehr Angst vor Intimitäten als früher. Ursache hierfür sind zum einen die durch die frei verfügbaren Pornos geweckten Illusionen als auch eine zunehmend feminisierte Kultur, die das Ausleben natürlicher Aggressionen im Keim erstickt.Weit über die Sexualität hinaus spielen Sexualhormone bei Mann und Frau eine entscheidende Rolle im Alter.

Der Urologe Stefan Reese schilderte in diesem Zusammenhang eindrucksvoll, wie bei Männern auch depressive Verstimmung, Leistungsknick, Schlafstörungen und Antriebslosigkeit ihre Ursache in einem Testosteronmangel haben können. Bei nachgewiesenem Testosteronmangel ist die Substitution heute durch Gels einfach und sicher durchzuführen. Ein erhöhtes Risiko für einen Prostatakrebs besteht nicht, erforderlich ist jedoch eine regelmäßige Kontrolle beim Urologen.

Interessante Aspekte zur Hormonsubstitution der Frau schilderte die Gynäkologin Dr. Martina Prebeck vom DONAUISAR Klinikum. War eine Frau im Mittelalter mit 60 Jahren bereits alt, befinden sich heute viele Frauen auch mit 60 mitten im Leben, aktiv im Beruf und bei bester Gesundheit. Dennoch reduziert die Natur die Hormonproduktion, und dieser „Wechsel“ ist für viele Frauen ein wesentliches Problem. Durch individuelle Hormonsubstitution lassen sich heute viele Probleme des Wechsels lindern, dabei sind die damit verbundenen Gefahren gering. Wesentlich ist dabei auch hier die regelmäßige Kontrolle durch den betreuenden Gynäkologen.