Fortbildung zu Erkrankungen bei Migranten

01.02.2016

Auch in Arztpraxen, Gesundheitsämtern und Kliniken werden Ärzte und medizinisches Fachpersonal täglich, und in zunehmendem Maße, mit dem Thema Migration und Asylsuche konfrontiert. Entsprechend groß war das Interesse an einer medizinischen Fortbildungsveranstaltung über Infektionskrankheiten bei Migranten, zu der Chefarzt Prof. Dr. Siegfried Wagner vom DONAUISAR Klinikum und der Ärztliche Kreisverband Deggendorf eingeladen hatten. Im überfüllten Vortragsraum referierte Prof. Dr. Bernd Salzberger, Infektiologe am Universitätsklinikum Regensburg, vor über hundert Medizinern aus verschiedenen Fachdisziplinen über die medizinische Versorgung von Flüchtlingen.

„Herkunftsland und Fluchtweg spielen bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes der Migranten eine wichtige Rolle“, betonte Prof. Salzberger. Der Hauptanteil an Asylsuchenden ist im Jahre 2015 aus Syrien, Albanien, Kosovo, Afghanistan, Irak und Serbien gekommen gemäß der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. „Asylsuchende leiden primär häufig unter den gleichen Infektionskrankheiten wie die ansässige Bevölkerung“, so Prof. Salzberger. Die anstrengende Reise, ein oft fehlender Impfschutz und die enge räumliche Situation in den Aufnahmeeinrichtungen können jedoch dazu führen, dass Asylsuchende empfänglicher für einige Infektionskrankheiten sind. Meistens handelt es sich um Erkältungskrankheiten und Magen-Darm-Infekte. Saisonbedingt werden z.B. Influenza-Erkrankungen häufiger diagnostiziert. Dem Robert Koch Institut (RKI) wurden über das infektionsepidemiologische Meldewesen außerdem Fälle von Windpocken, Tuberkulose, Hepatitis (B, teilweise auch A und C), Rota- und Norovirus-Infektionen, einige Masern-, Mumps- und Salmonellen-Infektionen übermittelt. Sehr vereinzelt wurden auch Fälle von seltenen schwerwiegenden importierten Krankheiten wie Läuserückfallfieber oder Typhus gemeldet.

Aufgrund des häufigeren Vorkommens in den Heimatländern werden manche Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden häufiger beobachtet, zum Beispiel Tuberkulose. Mit dem Ziel, eine Weiterverbreitung zu verhindern, ist es daher gesetzlich vorgeschrieben, dass Asylsuchende ab dem 15. Lebensjahr bei der Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft geröntgt werden. Auf diese Weise werden Menschen mit offener Lungentuberkulose identifiziert, isoliert und behandelt. Die Möglichkeit, dass Asylsuchende schwerwiegende, hierzulande seltene Infektionskrankheiten nach Deutschland importieren, schätzt das RKI aktuell als gering ein. Mit Ausbrüchen von todbringenden Infektionen wie Ebola und MERS wird bei Asylsuchenden in Deutschland derzeit nicht gerechnet, da diese Krankheiten in den Herkunftsländern bzw. auf der Reiseroute selbst nicht vorkommen.

RKI-Analysen der Meldedaten von Infektionsgeschehen der letzten Jahre in Unterkünften von Asylsuchenden deuten darauf hin, dass sich die Erkrankten in den meisten Fällen in Deutschland angesteckt haben. Das Robert Koch-Institut sieht derzeit keine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende, vor allem, wenn die Bevölkerung den grundsätzlich geltenden Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) nachkommt. Sollten unter Asylsuchenden Infektionskrankheiten auftreten, kann jedoch in Einzelfällen eine Weiterverbreitung auch außerhalb der Gruppe der Asylsuchenden stattfinden. Durch die Routineimpfungen wird die Bevölkerung wirksam gegen zum Teil sehr ansteckende Krankheiten wie Masern oder Keuchhusten geschützt. Prof. Salzberger betonte, dass auch den Asylsuchenden gemäß den Empfehlungen der STIKO ein Impfprogramm angeboten werden sollte. Da der Impfstatus von Asylsuchenden jedoch häufig unklar ist und um möglichst frühzeitig nach Ankunft in Deutschland einen evtl. fehlenden Impfschutz nachzuholen, hat das RKI in Abstimmung mit der Ständigen Impfkommission (STIKO) und den Ländern ein Konzept entwickelt, wie in der besonderen Situation der ersten medizinischen Versorgung Impfungen möglichst effektiv umgesetzt werden können.

Das bei Asylsuchenden abweichende Krankheitsspektrum erläuterte Prof. Salzberger anhand von typischen Fallberichten. Zu den in Deutschland selten, aber bei Asylsuchenden regelmäßig vorkommenden Erkrankungen, zählen das Läuserückfallfieber und Scabies. Hinsichtlich der bestmöglichen Therapie wurde mit den aus verschiedenen Fachdisziplinen anwesenden Experten lebhaft diskutiert. Prof. Wagner betonte in seinem Schlusswort, dass der interdisziplinäre Austausch auch mit den Behörden und den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen wichtig ist, um nicht nur medizinische Fragen, sondern auch Herausforderungen wie Sprachbarrieren oder lokale Strukturprobleme bewältigen zu können.

Referenten Salzberger und Wagner

Sprachen über die Herausforderung des Gesundheitswesens durch Migranten: Prof. Dr. Bernd Salzberger (l.) und Prof. Dr. Siegfried Wagner.