Dritte Deggendorfer Palliativgespräche finden große Resonanz

14.12.2015

Wohnortnahe Palliativversorgung steigert Lebensqualität

Palliativmedizin ist ein bedeutendes Thema der heutigen Medizin. Das hat auch die enorme Resonanz bei den dritten Deggendorfer Palliativgesprächen gezeigt. Über 100 Zuhörer kamen zu den Vorträgen über ethische Aspekte und den künftigen Bedarf an Palliativmedizin ins Deggendorfer Kolpinghaus. Die Organisation des interessanten Abends hat Dr. Barbara Lighvani vom DONAUISAR Klinikum Deggendorf übernommen. Die hochkarätigen Gäste hieß Chefarzt Prof. Dr. Siegfried Wagner willkommen und betonte dabei die Bedeutung der guten Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten bei der Versorgung sterbender Menschen. Auch dazu dienten die Palliativgespräche.
Für einen Kulturwandel in Krankenhäusern sprach sich Professor Dr. Dr. Karl Wehkamp (Universität Bremen) aus: Schon die Entscheidung weg vom Therapieziel Heilung sei eine große Herausforderung für den kranken Menschen und das Behandlungsteam. Es müsse die Frage geklärt werden, ob ein Patient ein Sterbender oder ein Mensch in kritischem Zustand sei. „Der Sterbevorgang wird oft nicht hingenommen, sondern abgewehrt“, stellte Prof. Wehkamp fest. Allerdings müsse dabei bedacht werden, dass trotz vieler Studien alle medizinischen Entscheidungen im Einzelfall mit Unsicherheiten behaftet seien. Dabei schließe der Verzicht auf Intensivmedizin eine intensive medizinische Behandlung nicht aus.
Er wies aber auch daraufhin, dass die Entscheidung für die Palliativmedizin im Rahmen der regulären Behandlung getroffen werden müsse. Damit betreffe die Herausforderung alle medizinischen Teams. „Das Rettenwollen, Rettenmüssen und Sterbenlassen ist bei vielen Medizinern mit traumatischen Erfahrungen verbunden“, berichtete Prof. Wehkamp aus langen Interviews mit Medizinern. Bei den teilweise quälenden Fragen helfe der gemeinsame Austausch während und nach der Behandlung. Dabei dürfe jedoch der Patient nicht vergessen werden, dessen Entscheidung es sei und für den es die persönliche existenzielle Herausforderung am Lebensende sei.
Eine Bilanz der Palliativversorgung in Bayern zog Dr. Johannes Rosenbruch vom Klinikum der Universität München. Als Mitarbeiter von Prof. Dr. Claudia Bausewein, einer der führenden Palliativmedizinerinnen Deutschlands, konnte er vom neuesten Stand der Forschung berichten. Bayern sei bei der palliativmedizinischen Bettenzahl im deutschlandweiten Vergleich noch weit unterdurchschnittlich. Zwar sei die Struktur von der allgemeinen Versorgung der Hausärzte über ambulante Dienste bis hin zu Palliativstationen und Hospizen etabliert, aber sie sei noch viel zu sehr nur auf die Bedürfnisse von Krebspatienten ausgerichtet.
Derzeit würden 92 Prozent der Patienten auf einer Palliativstation unter einem Tumor leiden. Aber auch Patienten mit einer Herzinsuffizienz könnten erheblich von der Palliativmedizin profitieren. Wenn sich das Spektrum der Patienten erweitere, werde der Bedarf an Palliativversorgung wachsen, war sich Dr. Rosenbruch sicher. Dies könne bereits in anderen europäischen Ländern beobachtet werden. Neuere Studien legten auch nahe, dass sich ein frühzeitiger Einsatz der Palliativmedizin günstig auf die Lebensqualität und die -dauer der Patienten auswirke. Dementsprechend sei hier eine frühe Heranführung der Patienten sinnvoll. Dies müsse jedoch auch angemessen vergütet werden. Analog zum steigenden Bedarf bei den Palliativstationen steige auch der Bedarf an Hospizen. Angesichts des geringen Anteils der Palliativmedizin an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenkassen (0,18 Prozent) sehe er hier Spielraum nach oben, dessen Nutzung das neue Palliativ- und Hospizgesetz ermögliche.


Referenten bei den Palliativgesprächen

Tauschten sich über Themen der Palliativmedizin aus: Prof. Dr. Dr. Karl Wehkamp (v.l.), Dr. Johannes Rosenbruch, Dr. Barbara Lighvani und Prof. Dr. Siegfried Wagner.