2. Deggendorfer Ethiktag

24.10.2014

Das Sterben ist heute vielfach eine lang hingezogene Lebensperiode geworden. Die Verantwortung in diesem Lebensabschnitt wird oft an Krankenhaus und Pflegeheim delegiert. Dazu kommt ein zunehmender Kostendruck. Dieser Zwiespalt zwischen Ökonomisierung des Gesundheitssystems und der individuellen Behandlung schwerstkranker oder sterbender Menschen war Kern des 2. Deggendorfer Ethiktages am DONAUISAR Klinikum.

Markus Metzger, Oberarzt und Leiter des Ethikkomitees am DONAUISAR Klinikum, sprach vor zahlreichen Zuhörern von einer zunehmenden „Verwilderung“ des Todes. Der Tod werde oft verheimlicht und der Öffentlichkeit entzogen, da die meisten Menschen heute im Krankenhaus sterben. Auch bleibe im stressigen Alltag für Hinterbliebene oft keine Zeit mehr zu trauern und den Tod eines nahestehenden Menschen zu verarbeiten. Dieses Verhalten überfordere neben den Angehörigen auch nicht selten das medizinische Personal.

Als Chefarzt der Akutgeriatrie am DONAUISAR Klinikum stellte Dr. Peter Kolbinger anhand von Fallbeispielen dar, wie schwierig es sein kann, im Einzelfall die richtige Diagnose zu treffen und daraus die optimale Behandlung für den geriatrischen Patienten abzuleiten. Alleine bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) seien rund 838 Leitlinien erfasst, die im konkreten Fall jedoch nicht dogmatisch anzuwenden seien. Damit ging er der Frage nach, ob heutzutage in der Intensivmedizin alles geboten sei, was medizinisch möglich ist. Dr. Kolbinger plädierte dafür, immer den konkreten Fall im Blick zu behalten.

Anhand von Beispielen aus seiner medizinischen Praxis zeigte Dr. Jens Kuhfahl, Oberarzt der Onkologie, Berührungspunkte mit den Themen Ethik und künstliche Ernährung geriatrischer Patienten auf. Er verdeutlichte, wie schwierig es sei, vor dem Hintergrund ethischer Grundsatzfragen, in der jeweiligen Situation die bestmögliche Entscheidung für den Patienten zu treffen. Prof. Dr. Karl Wehkamp vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen verdeutlichte in seinem Vortrag das Spannungsfeld aus Gesundheitssystem, Krankenkassen, Patientenwille und Beachtung ethischer Grundsätze. Trotz des vielfach erklärten Ziels der Effizienzsteigerung an Krankenhäusern dürfe die Sichtweise vom Patienten als Individuum mit ganz eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen nicht verloren gehen. Im oft hektischen Klinikalltag bleibe oftmals zu wenig Zeit für intensive Gespräche mit dem Patienten, was zu Lasten einer gründlichen und individuellen Anamnese gehe. Die sture Messung von Kennzahlen, welche die Basis für Handlungsempfehlungen der Politik darstellt, würde nach Auffassung von Prof. Wehkamp nicht die Menschlichkeit, Zuwendung und den Patientenwillen widerspiegeln. Das Problem, welches sich daraus ergibt, bringt Wehkamp auf den Punkt: „Mit Patientengesprächen lässt sich kein Geld verdienen“. Deshalb müsse nach Wehkamps Auffassung das Krankenhausmanagement in ethische Überlegungen einbezogen werden. Mit wertschätzender Kommunikation und unter der Beachtung ethischer Grundsätze muss hier ein Konsens erzielt werden.

Die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) war abschließend das Thema von Dr. Barbara Lighvani, Oberärztin der Palliativstation. Mit der SAPV wurde im Jahr 2007 die gesetzliche Grundlage geschaffen, schwerstkranke und sterbende Menschen in der gewohnten häuslichen und familiären Umgebung zu behandeln und zu pflegen. Damit kann der Wunsch vieler Patienten erfüllt werden, bis zu ihrem Tod im vertrauten Umfeld bleiben zu können. Dieses Angebot sei keine Konkurrenz zu ambulanten Pflegediensten sowie Hausärzten, sondern ergänze noch die Betreuung. Eine abschließende Podiumsdiskussion rundete die informativen Fachvorträge des 2. Deggendorfer Ethiktages ab.

Im Bild (v.l.): kath. Klinikseelsorger Pfarrer Thomas Strunz, Prof. Dr. rer. pol. Dr. med. Karl-Heinz Wehkamp, Oberärztin Dr. Barbara Lighvani, Chefarzt Dr. Peter Kolbinger, Oberarzt Markus Metzger